15.11.2022

WM in Katar

Kein Verein, keine Karriere und kein Fußballabend ist wichtiger als ein Arbeiterleben.

Die WM in Katar beginnt in wenigen Tagen und ich habe das Gefühl, als Arbeiterkind die Pflicht zu haben, etwas dazu zu schreiben. Wenn es um ein Welt-Thema geht und weil mir die Welt am Herzen liegt, setze ich normalerweise zum Schreiben an aber es geht so tief, dass ich einen Text nicht abschließen kann und alle, die gerne meine Texte lesen, mindestens zwei Jahre auf etwas Neues von mir warten müssen. Ich habe mal meinem Therapeut von diesem Problem erzählt. Für diejenigen, die noch nicht in der modernen Welt angekommen sind: Mir geht es blendend. Man hat heutzutage einen Therapeut, wenn man will. Ich habe zu ihm gesagt: "Wissen Sie, es gibt Leute, die stehen auch in der Öffentlichkeit und sprechen über dieselben Themen, verteidigen dabei aber einen Diktator und den Islamismus, ohne rot zu werden und es fällt ihnen so einfach, Sätze heraus zu posaunen." Er sagte: "Frau Sarica, es ist einfach, wenn es einem nicht am Herzen liegt."

Ich bin ein Arbeiterkind und ich bin da richtig stolz drauf. Besser gesagt bin ich stolz auf meine Eltern und alle anderen Arbeiter, die härtere Arbeit machen als andere. Ich bin es ja nicht selbst, die das tut. Jedes Mal, wenn ich im Vorbeifahren einen Arbeiter in Arbeitsschutzschuhen und Rucksack in der Früh oder in der Nacht auf seinem Fußweg zur Fabrik sehe, erfüllt mich das mit einem Gefühl von etwas, das ich, ohne sicher zu sein, was es genau ist, vielleicht als Respekt und Stolz beschreiben könnte. Respekt für puren Fleiß.

Heute ist die Welt zum Glück politischer als vor zehn Jahren als ich mit der Therapie angefangen hatte, weil ich nicht wusste wohin mit meinen Gedanken zur Welt und dem Gefühl, das niemand mithilft. Dieses Gefühl hatten damals alle, die sich für eine bessere Welt eingesetzt haben. Noch waren wir zu wenige. Heute ist die Gesellschaft, auch meine Generation hier in Deutschland, zum Glück politischer als vor zehn Jahren. Zwar nur, weil es sich seit #blacklivesmatter, #metoo und #fridaysforfuture so schickt und en vogue ist und Millennials, die sich jetzt zu Weltrettern aufspielen, haben die Welt vorher zu einer schlechteren Ort gemacht, aber das ist ein Blogtext für sich. Immerhin ist es jetzt so, dass diese Leute einige Last von den Schultern der wenigen nehmen, die wirklich für eine bessere Welt brennen. Alles Wichtige hat jetzt mehr Leichtigkeit, weil endlich alle mit anpacken. Deswegen könnte ich es vielleicht schaffen, an diesem Sonntag, den ich nur für diesen Blogtext und vielleicht doch noch eine Sporteinheit freigehalten habe, einen Text leicht genug zu halten, sodass er nicht zu tief geht und auch heute noch fertig wird. Wenn jetzt davon ausgegangen werden kann, dass all die toxischen Feministinnen, denen es so gut geht und denen die Welt so wenig am Herzen liegt, dass sie ihre Energie in den letzten fünf Jahren in den Kampf für andere Wortendungen und für das Kopftuch und die Verharmlosung des Islamismus gesteckt haben und denen dann aber plötzlich aufgefallen ist, dass das Kopftuch vielleicht doch kein geeignetes Symbol für Freiheit ist und sie Bildchen auf Instagram gepostet haben, um dazuzugehören, jetzt auch die WM boykottieren werden, weil das sonst ganz schön peinlich wäre, dann kann ich ja beruhigt sein. Dafür, dass sie den Islamismus unterstützen, gehören sie zwar zu den besonders Dummen. Aber nur noch die Allerdümmsten bzw. Uneitelsten (sowohl aus der Unterschicht als auch in der Mittel-und Oberschicht) und die Hardcore Fußballfans werden jetzt wohl diese WM schauen und damit nicht zur Quotenschwächsten WM allermeisten beitragen.
Ich versuche zwar auch nicht von den Hardcore Fußballfans zu erwarten, dass sie die WM ausfallen lassen und ich suche auch nicht beim Fußballer, bei dem es um seine Karriere geht, die lauteste Quelle des Protestes, obwohl es die stärkste wäre. Ich versuche wirklich, die Kirche im Dorf zu lassen. Aber ganz gelingt es mir nicht und man sollte sich heutzutage für den Einsatz für das Gute nicht entschuldigen müssen. Das habe ich auch damals nicht getan, als ich zu Özil gefragt wurde und gesagt habe, dass er die perfekte Repräsentation für diejenigen vielen Türken in Deutschland ist, die den modernen Islamismus unterstützen, mittragen und in Deutschland zu etablieren versuchen.

Ich hatte damals ein Date und der junge Mann, der mich vor unserem Date gegoogelt hatte, hatte gesagt: "Weißt du, der (Özil) ist einfach nicht der Hellste." Und ich habe mich schäbig gefühlt, weil es scheinbar so gewirkt hat, als wäre dieser eine Fußballer mein Thema. Ähm. Nein. Ich habe ein Buch dazu geschrieben, wie der moderne Islamismus den Westen täuscht und warum die Betrachtung dieser Täuschung eine tragende Rolle für eine bessere Welt spielt. Leider wurde ein ganzes Kapitel, das Kapitel "Die Welt", gestrichen, weil man sich davor sträubt, die Zusammenhänge auf der Welt zu sehen. Aber das wird noch ein Video für sich, das lange Zeit braucht. Jedenfalls interessieren mich Einzelpersonen privat nicht. Sie spielen aber eine Rolle bei diesem großen Thema und ich werde in Interviews zu aktuellen Themen befragt und ich beantworte sie auch, wenn es gerade wieder um Fußball geht, weil Fußball in Europa, so wie American Football oder Baseball und Basketball in den USA, der größte Massensport ist und damit Einfluss auf die Gesellschaft hat. Mich interessiert kein Fußballer persönlich und auch kein Diktator könnte mich in meinem Privatleben beschäftigen. Ich reagiere sogar innerlich allergisch, wenn sich jemand unangekündigt privat mit mir über diese Themen unterhalten will. Bei geplanten Zusammenkünften, wo jeder Themen und Talente mit an den Tisch bringt ist das natürlich eine ganz andere Sache. Da erzähle ich gerne. Es geht mir nicht um Einzelpersonen. Sie sind austauschbar. Es gab sie schon immer: Die Bösen und die, die das Böse unterstützen. Einstein hat es mal auf den Punkt gebracht: Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen. Das ist das sinngemäße Zitat. Das richtige steht in meinem Buch. Es ist also wichtig, die Strukturen und Zusammenhänge der Welt zu verstehen. Dabei geht es nicht um diese Leute persönlich, sondern um diejenigen, die am Ende unter diesen Menschen mit Einfluss und der Stille der cleanen Elite ihnen gegenüber, die sich bisher bloß nie in Verbindung mit "den dreckigen Themen" bringen wollte, leiden, und das sind meistens die Armen und es sind Tiere. Mit nichts würde ich gerne weniger in Verbindung gebracht werden als mit Einzelpersonen, egal wer sie sind. Mir geht es schließlich auch nicht um sie. Mir geht es um die Menschen, die am Ende leiden werden, wenn wir das Böse nicht ansprechen und die Muster der Geschichte erkennen.

Ich leide mit. Besonders mit Tieren, weil sie nicht einmal eine Stimme haben und mit armen Menschen, bei denen alles zusammenkommt: Armut, Krankheit und fehlende Liebe & Respekt. Wisst ihr, was das Berührendste ist, das Menschen aus der Türkei sagen, die jetzt an der Armut leiden, die der Dikator, der die Macht ihres Landes an sich gerissen hat, während seine Anhänger hier in Deutschland zusammen mit linken Performance Aktivistinnen und toxische Feministinnen, zum Teil Journalisten, dafür gesorgt haben, dass jeder, der etwas dagegen sagt, als Rassismus-Unterstützer abgestempelt wird? Sie sagen: "Er hat unsere Träume gestohlen." So fassen sie ihre Armut zusammen. Indem sie auf den Punkt bringen, was das Schlimmste an der Armut ist: Unsere Träume wurden gestohlen. Auch den Arbeitern in Katar werden ihre Träume gestohlen.



Ich habe mich in meinem späten Teenagerjahren einer Mission verschrieben und wenn man wirklich etwas auf der Welt bewegen will statt eine Performance Aktivistin zu sein, dann muss man leider auch ein bisschen Drecksarbeit machen. Denn wenn man sich erst für etwas einsetzt, wenn es ein Trend auf Instagram ist, ist es meistens zu spät. Man muss ein bisschen Prestige abgeben, in der Zeit in der es noch nicht sexy ist, darüber zu sprechen. Dann kann man vielleicht noch etwas verändern. Erich Kästner hat es einmal auf den Punkt gebracht: "Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr." Wenn man wirklich etwas bewegen will muss man die Gefahr eingehen, dass ein kleiner Schönheitsfleck hängenbleibt und dein Date ihn sieht, wenn er genau hinschaut. Ich bin eben keine dieser cleanen Girls, damals noch unpolitischen Millennials, deren Business School Partys in dem Club stattgefunden haben, in dem ich damals bei der Arbeit in der Garderobe des fancy Clubs bei gedämmten Licht versucht habe zu schreiben. Übrigens habe ich selbst, wie schon angedeutet, nie in meinem Leben hart gearbeitet - das will ich damit gar nicht sagen.

Ich komme aus einer Gastarbeiterfamilie. Das bedeutet zwar leider auch nicht, dass man deswegen automatisch für die richtigen Werte steht, haben sich doch viele türkische Gleichaltrige aus Gastarbeiterfamilien bisher tatkräftig gegen Freiheit eingesetzt, aber das bedeutet nicht, dass ich es auch tue. Ich möchte meine Erfahrung als Arbeiterkind nicht für den Ausbau der Toleranz für intolerante Werte aus islamisch geprägten Teilen der Welt missbrauchen, sondern nutze ich meine ethnische Nähe zu ihnen für eine bessere Welt, denn voneinander zu lernen ist der größte Hebel dafür. So wird echte Diversität zu einem Schatz. Wenn sich alle, die wie ich einen Zugang zu einer "fremden" Kultur haben, für diesen Teil der Welt einsetzen würden, würde das viel schneller geht mit der Weltrettung.

Ich selbst habe immer nur für eine befristete Zeit, maximal ein paar Monate, einen Job angenommen, wenn es finanziell wirklich zu knapp wurde. Der Grund ist, dass ich erstens schreiben wollte, um die Welt zu verbessern und zweitens mein eigenes Unternehmen aufbauen. Aber sicher ist, dass es nur dadurch möglich war, in Deutschland geboren worden zu sein und durch meine Eltern, speziell durch meine Mutter, weil mein Papa schon mit 40 gestorben ist als ich 9 war. Ohne die Unterstützung meine Mutter wäre ich jetzt nirgendwo. Auch ich bin also in gewisser Weise privilegiert. Auch ich habe ein gutes Los gezogen. Zwar nicht ganz so groß, wie die Business School Dudes, aber auch sehr groß. Ich bin in Deutschland geboren, einem der reichsten und gleichzeitig menschenwürdigsten Ländern der Welt. Wenn ich in Ghana geboren wäre, hätte ich jetzt vielleicht auch auf andere Weise einen wunderschönen Sonntag, aber nicht meinen Traum-Sonntag erster Klasse, an dem ich früh wach bin und erstmal in Ruhe meinen Grünen Tee genießen kann, weil ich in der Woche nicht hart arbeiten musste, und der Sonntag deswegen für einen Blogtext, die Sporteinheit, Podcasts und vielleicht ja noch Mealprepping reserviert ist. Ich habe mein bisheriges Leben also in einer eigenartigen aber für mich und meine geistige Entwicklung perfekten Zwischending-Blase zwischen Privilegiertheit und Proletariertum verbracht. Ich bin privilegiert genug, um mich überhaupt für das Gute einsetzen zu können (Ich bin nämlich kein Ghandi und keine Mutter Theresa und andere unter uns bzw. in anderen Ländern lebend, die sich auch ohne ein Mindestmaß an einem gewissen Komfort für andere einsetzen können) und unpriviligiert genug, um als "Insidern" sprechen zu können. Das war dem Buchverlag so wichtig, dass sie alleine dafür ein Meeting - das einzige vor Ort Meeting in München- veranstaltet haben: Herausarbeiten, was der USP meines Buches ist. Erstmal ging es um das Buchcover. Ich wollte auf keinen Fall auf's Cover. Aber der Verlag sagte, ich sei ein Verkaufsargument, was mir schon etwas schmeichelte. Ich wollte es trotzdem nicht aber habe den Moment genutzt, um mich darin zu üben, offen für Expertenwissen zu sein, zumindest wenn es die Besten der Besten sind. Und dann ging es um mein Alleinstellungsmerkmal in diesem größer werdenden Meer an Stimmen der gesellschaftlichen Debatten. Ehrlich gesagt gefällt mir das nicht. Meine Stimme ist nicht gut, weil ich zufällig Insidern bin. Es gibt so viele Insider. Die setzen sich deswegen lange nicht für das Gute ein - ganz im Gegenteil. Ich bin eine Stimme, die als besonders wahrgenommen wird, weil ich ich bin. Es gibt einen angeborenen Teil. Ich bin erstmal kreativ und nicht jeder Insider will ja kreativ sein und hat woanders Talente. Sie können viel besser Anwälte (und leider auch Politiker) etc. sein als ich. Und ich habe einen angeborenen Freiheitsdrang, Gerechtigkeitssinn und Empathie für das Leid auf der Welt. Jetzt wo ich es schreibe verstehe ich erst, was mein Therapeut meinte, als er sagte "Ihnen nimmt man es ab." So, jetzt klinge ich wie die plötzlichen Weltverbesserer aus den Business Schools von damals, denen ich genüsslich in Business Podcast zuhöre, wie sie jetzt Impäct machen. Ich bin nämlich auch ziemlich selbstverliebt und arrogant. Ich bin es aber nur gegenüber der Old Economy. Was ich mit diesem Abschnitt sagen möchte ist: Wenn selbst die Arbeiter in Deutschland so viel Respekt verdienen, dann erst recht Arbeiter aus Ländern wie Katar, für die jetzt das gesellschaftliche Momentum gekommen ist, um die kollektiv zu unterstützen.

Ich versuche zwar nicht von den Hardcore Fußballfans zu erwarten, dass sie die WM ausfallen lassen und ich suche auch nicht beim Fußballer, bei dem es um seine Karriere geht, die lauteste Quelle des Protestes. Obwohl es der wirksamste Protest wäre, wenn einer von ihnen auf dem Feld ein deutliches Statement auf seinem T-Shirt trägt. Bitte nur die mit Pass aus einer westlichen Demokratie, die man mit geballter Power aus Personenschutz, Anwälten und Politik und Gesellschaft im Ernstfall vor einer Inhaftierung schützen kann.
Oder sie setzen als Gruppe ein Zeichen. Das würde ich mir wünschen, in Berichten über die WM zu lesen. Traue ich leider keiner Mannschaft zu. Die meisten Menschen sind leider Berufspolitiker, Berufsjournalisten und eben Berufssportler statt echte Sportsmänner. Bisher ist der größte Akteur des Weltfußballs, der so viel bewegen könnte, die FIFA, lieber Teil der Old Economy statt sich als Teil der New Economy zu sehen - einer Wirtschaft mit ethischem Anspruch, die nicht nur den eigenen Reichtum im Blick hat, sondern eine Welt als ihr Lebensumfeld haben möchte, in denen es auch anderen gut geht. Ich versuche wirklich, die Kirche im Dorf zu lassen. Aber ganz gelingt es mir nicht und ich komme immer wieder zu dem Schluss: Kein Verein, keine Karriere und kein Fußballabend ist ein Arbeiterleben wert. Nein, deine Stelle bei der FIFA ist nicht mehr wert als ein Arbeiterleben. Nein, deine Karriere als Fußballer ist nicht mehr wert als ein Arbeiterleben. Nein, deine gemütliche Fußballparty in der Wärme deines Zuhauses ist nicht mehr Wert als ein Arbeiterleben in der geografisch bedingten Hitze und der Werte bedingten Kälte und Unwürde eines arabischen Staates.

Was ich in meinem Text nicht machen werde ist, diese Geschichten aufzuschreiben. Erstens gehen sie mir zu nah und ich muss immer aufpassen, dass ich im Alltag und der Arbeit stark genug bleibe. Da ich mich sehr in das Leid anderer hineinsteigern kann, wäre das kontraproduktiv. Zweitens kann jeder, der sich dafür interessiert, sicherlich genug darüber lesen. Ich kann in meinem Text meine Perspektive als türkisches Gastarbeiterkind in Deutschland beitragen und werde jetzt etwas mehr darüber erzählen. Bei allem Digitalisierungsrausch haben wir, die bequeme Jobs am Laptop oder im Büro haben, das Gefühl, das Leben wäre für alle leicht und die Digitalisierung wäre schon überall. Und ich selbst lebe gedanklich am allerliebsten in der Zukunft und erhoffe durch Technologie eine bessere Welt für Arbeiter. Noch ist es aber nicht so. Ich versuche hierbei nicht in ein neues Thema, die neue Arbeitswelt, zu gehen. Ich möchte, dass wir darüber nachdenken, wie wir Menschen, die im Hier und Jetzt in Knochenjobs arbeiten müssen, helfen können. Wir sollten uns für sie einsetzen. Das macht z.B. die SPD, der man einmal für Ihren Einsatz für Arbeiter Respekt zollen muss. Insbesondere ist an dieser Stelle Hubertus Heil zu nennen. Schade, dass sie den Islamismus so geil finden. Ah! Gut, dass ich endlich noch etwas loswerden kann: Die Leiharbeiterschaft ist ein unerhörter Skandal dieses Landes! Diese Menschen, die eigentlich mehr verdienen sollten als alle anderen, verdienen durch das Leiharbeitertum noch weniger. Meine Eltern waren nie betroffen, weil es das nicht gab als sie angefangen haben zu arbeiten. Aber mit ihr zusammen arbeiten Menschen für viel zu wenig Geld. Arbeit muss sich lohnen. Das ist ein Zustand, der sich leider während der Merkel-Zeit nicht verändert hat. Ich liebe die Ex-Kanzlerin. Und es ist die SPD, die die Leiharbeit eingeführt hat. Aber ich finde, dass jemand, der an der Macht ist, schlechte Zustände nicht damit rechtfertigen kann, dass sie andere eingeführt haben. Sie abzuschaffen liegt in der Regierungsverantwortung. Leiharbeit ist moderne Skalverei. Aber auch ein Deep Dive dazu, was die Politik bereits tut oder nicht tut, muss an dieser Stelle ausbleiben. Ich möchte Menschen nur daran erinnern. Ich erzähle eine kleine Geschichte aus dem Leben meiner Mutter, mit der ich euch vielleicht berühren kann und damit möchte ich erreichen, dass ihr die WM boykottiert, wenn ihr das nicht sowieso schon fest vorhattet. Und wenn euch diese kleine Geschichte berührt, dann überlegt mal und entschuldigt die Wiederholung: Hier in Deutschland ist man als Arbeiter immer noch privilegierter als Arbeiter in Dritte Welt Ländern und arabischen Ländern. Dann solltet ihr diese WM erst Recht boykottieren.

Ich musste zeitlebens ertragen, dass meine Mum viel früher zur Arbeit gehen muss als die Büro-Helden, die erst um 9:30 Uhr eintrudeln. Meine Mutter geht bis heute sogar zur Arbeit, wenn sie krank ist und es nichts Ansteckendes ist. Und sie hat sich noch nie über ihren Job beschwert. Sie hat dort ihre lieben Kolleginnen und Leistung gehört zur geistigen Gesundheit. Aber es beschäftigt mich. Ich habe mal als Schülerin in den Herbstferien dort gearbeitet. Ich bin sehr froh über den Einblick, den ich in die Arbeiterwelt hatte. Als ich vor allem zur Abteilung der Männer übergeschaut habe, die besonders viel leisten müssen, sagte meine Mutter mir, wer diese Arbeit auch noch als Leiharbeiter machen muss und noch weniger kriegt als sowieso schon. Während ich nach der Arbeit, die für mich ja nur zwei Wochen ging, in meinem wolkigen Bett versunken bin, weil ich das so anstrengen fand, müssen Arbeiter ja noch ein ganzes Leben führen. Sie aktvieren für das Leben eine Energie, die eigentlich schon körperlich verbraucht ist.
An dieser Stelle lösche ich einen langen Abschnitt, in dem ich mehr über den harten Tag von Arbeitern erzählt habe. Ich möchte nur sagen: Menschen, die Knochenjobs machen, also puren Fleiß verkörpern, verdienen große Anerkennung und sollten mehr verdienen als Büroarbeiter. Das ist ein völliges Missverhältnis in unserer Gesellschaft aber das wissen wir ja alle. Was für Krankenpfleger gilt, gilt auch für Arbeiter.
Eine berührende Geschichte möchte ich aber erzählen und zwar die, dass meine Mutter nach der 4. Klasse nicht mehr zur Schule gehen durfte. Mein Opa hatte es ihr verboten, nachdem ein anderes türkisches Mädchen mit ihrem Freund von zu Hause abgehauen war, weil sie dort keine Freiheit hatte. Ich frage sie seltenst, wie das nochmal genau war, um nicht ihre Wunden aufzureißen. Aber ich erinnere mich an die Bilder, die ich hatte, als sie mir davon erzählte: das Mädchen, das aus dem Fenster den Schülern auf ihrem Schulweg zusah. Es bricht mir das Herz. Wir, die wir verwöhnt sind ohne Ende und uns über die Schule beschwert haben in die wir hingehen durften, können das Gefühl vielleicht nicht nachempfinden. Aber wenn man zur Schule gehen will und noch ein neugieriges Kind ist, dann ist diese Szene unendlich traurig. Die Behörden waren da und mein Opa habe ihnen erzählt, er hätte das Kind zurück in die Türkei geschickt. Meine Mutter war wohl zudem auch damals schon sehr fleißig. Ich habe sie einmal gefragt, was sie hätte werden wollen. Ich musste meinen ganzen Mut zusammennehmen, denn das ist schmerzhaft. Sie sagte: Apothekerin. Das wäre sie definitiv geworden. Denn mit dem Fleiß, den sie in ihre jetzige Arbeit an der Fabrikmaschine steckt, die so fehlerhaft ist, dass sie niemand anderes bedienen kann als sie, wäre sie alles geworden. Ihre jüngere Schwester durfte zur Schule und sogar eine Ausbildung machen. Meine Tante ist jetzt Apothekerin. Es ist die Person, die meistens gemeint ist, wenn ich im Buch von Verwandten spreche. Die Rechtsabteilung des Verlags hat "Meine Tante" gestrichen. in der überarbeiteten Version werde ich das korrigieren. Sie ist der Inbegriff der Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und setzt sich in ihrem privaten Umfeld hier in Deutschland wie viele Frauen für die Unfreiheit anderer Frauen ein. Deswegen sage ich immer wieder: Fehlende Bildung ist nicht der wichtigste Faktor für eine bessere Gesellschaft. Manchmal wird sie von den falschen Leuten als Waffe gegen Freiheit benutzt. Das ist der moderne Islamismus. Das sind die echten Geschichten der Freiheit und des Arbeitertums. Es ist nicht die fehlende Toleranz in Deutschland und Europa. Es sind Frauen wie meine Tante, die alles haben außer Mündigkeit und weil sie nicht aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit kommen, setzen sie sich für die Unfreiheit anderer Frauen ein, vor allem anderer muslimischer Frauen. Sie wollen nicht, dass sie frei und fröhlich leben. Sie versuchen jeden Versuch eines Dialoges darüber, wie Menschen unter Islamismus leiden, mit der Nazikeule stummzustellen. An Leute wie sie, die jetzt Bildchen auf Instagram posten für die Frauen im Iran: Ihr könnt eure Handys das Klo runterspülen. So nutzlos sind eure zu spät kommenden Postings für die Gesellschaft.
Meine Tante manipuliert meine Mutter immer wieder und dadurch, dass sie die "gebildetere" ist, und meine Mutter glaubt, Menschen, die zur Schule gehen durften, müssten ja schlauer sein, lässt sie sich von ihr manipulieren. Ich versuche ihr manchmal zu sagen: Mama, wir haben in der Schule auch nicht viel Relevantes gelernt. Und das Wichtigste, und zwar Werte zu haben, wird dort auch nicht zwingend gelehrt. Grüße an alle tollen Lehrer, die ihren Beruf anders, also mit Leidenschaft machen. Ich zum Beispiel bin ich, weil ich mir unabhängig von der Schule das angeschaut habe, was mich wirklich interessiert und zwar im Internet. Google, Wikipedia und die sozialen Medien werden zwar nicht ohne Grund kritisiert aber aus meiner Perspektive als Arbeiterkind bedeutet das Internet in erster Linie etwas Grundpositives. Es entkoppelt Herkunftsschicksal von Bildungschancen. Ich sage meiner Mutter, dass ich das, was ich weiß, selbst alles nur gegoogelt habe. Und dann sagte sie den magischen Satz. "Ja...Ich schreibe auch manchmal eine Frage in Google und es antwortet mir einfach." Das ist, wie das Internet im Kern die Welt verändert.

Über eine andere, größere Geschichte aus der Gastarbeiterwelt in Deutschland, die sehr viele betroffen hat, darüber, warum ein ehrlicher Dialog über unterschiedliche Kulturen die Welt verändern wird und warum wir uns für die Demokratie, auch in anderen Ländern einsetzen sollten, werde ich irgendwann in einem bereits geplanten YouTube Video erzählen. Die Betonung liegt auf "irgendwann", denn es ist nicht so einfach, wenn es einem wirklich am Herzen liegt.

Hier könnt ihr, wie ich, mit Amnesty International super schnell & einfach für die Entschädigung der Arbeiter in Katar stimmen:
https://www.amnesty.de/wm-katar-2022

Bye bye!


[Nachtrag am 20.11.2022: Puh! Das Eröffnungsspiel läuft gerade und es fällt mir richtig schwer, nicht einzuschalten. Und das Finale nicht anzuschauen wird bestimmt auch schwer fallen. Ich glaube, das Verbindende dieses Sportevents macht es auch für Nicht-Fußballfans wie mir schwer, nicht einzuschalten. Ich hätte gerne einmal reingeschaut, nur um mitzukriegen, wie das Feeling ist. Ist es gut? Ist es schlecht? Nur um's zu wissen. Ich werde es aber nicht tun. Die Härte meines Textes lasse ich so stehen.]

Nachtrag am 22. November: Bisher gab es erfreuliche Symbole von denen, die direkt an der WM beteiligt sind: Die Iranische Fußballmannschaft schweigt bei der Nationalhymne als Protest gegen das iranische Unrechtsregime, eine ZDF Moderatorin traut sich ins Regenbogen T-Shirt (wie absurd, dass das heutzutage noch Mut dazu braucht) und Fehlentscheidungen wie die der deutschen Nationalmannschaft, keine Queer-Binde zu tragen, erfahren laute Kritik. Noch mehr wäre zu wünschen und vielleicht ist ja das die Antwort auf die große Frage, wie man mit Ländern umgeht, in denen noch nicht die Demokratie angekommen ist. Nicht komplett ausschließen, zusammenarbeiten aber gleichzeitig ein Zeichen setzen?

Nachtrag am 23. November: Ich LIEBE LIEBE LIEBE das Zeichen, das die Nationalmannschaft gerade gesetzt hat:]